Missverständnis „Fokusgruppe 2.0“

Kategorie: Markt- und Mediaforschung — Tags: , , 17:22 23. Juni 2011

Hier das Intro einer Xing Marktforschungsgruppe:

„Focus Groups, die wie Spielgruppen aussehen
Ein Dutzend Frauen arbeitet in meditativer Stille, während sie behutsam Collagen aus Barbie-Puppen, großen bunte Lutschern und Stücken von Federboas auf schwarzen Holzfaserplatten arrangieren. Ein Kunstprojekt? Die neueste Nachmittagsbeschäftigung gelangweilter Upper East Side-Hausfrauen? Weit gefehlt! So sehen die neuen Fokusgruppen der New Yorker Marktforscherin Malika Sanna, Gründerin von Spark NYC aus, die damit Kunden wie Unilever oder Time Warner Cable zu einem tieferen Einblick in die Emotionen ihrer Kunden verhilft.“

Der link zum NYT Artikel, aus dem diese Beschreibung entnommen ist: http://nyti.ms/mCWJjl

Sieht so die Fokusgruppe 2.0 aus?

Auch so. Ist meine Antwort. Darin liegt das Missverständnis. Denn da ich keine perfekte Methode kenne, wird keine Methode andere komplett ablösen können. Es wird für geeignetere Anwendungsmöglichkeiten für die eine oder die andere geben. Als methodischer Berater obliegt es uns Marktforschern, die für das anstehende Projekt bestmögliche Methode vorzuschlagen – ohne zu verschweigen, was durch die gewählte Methode eben nicht so gut abgedeckt werden kann.

Werden Kunden-, Nutzer- oder Zielgruppenblogs Fokusgruppen ersetzen? Zweifelsohne sind das interessante Optionen, zumal die Auswertung einerseits manuell, andererseits mit Social Media Analyse Tools durchgeführt werden kann. Allerdings: Ein Blog wird vom aktiven Verlautbarungsinteresse der Kunden, Nutzer oder Zielgruppen gesteuert. D.h. darin werden Aspekte, die erst auf den zweiten Blick wichtig sind, z.B. solche, ohne die etwas nicht wichtig wäre, potenziell unterschätzt bzw. nicht berücksichtigt. Blogger (be-)schreiben nicht Dinge, die für sie grundsätzlich und vorausgesetzt „so sind“. Für derartige Insights empfiehlt sich eine (Moderations-) gesteuerten qualitativen Forschung.

Für jedes Projekt sollte die Methode „Fokusgruppe“ angepasst werden auf das Sujet, die Interessen des Auftraggebers. Gute Fokusgruppen sind also stets individuell auf das bestimmte Projekt zugeschnitten.

Meist entstehen ja gerade in der Auseinandersetzung des konkreten Projektes Ideen, die sich dann in „neuen Methoden“ manifestieren. Das funktioniert aber nur, wenn man methodisch offen bleibt und, wenn es das Projekt erfordert, auch mal zur „normalen“ Fokusgruppe greift. Weil auch dieses Instrument mitunter die beste Methode darstellen kann.

Siehe dazu auch mein Forenbeitrag inkl. Diskussion auf Xing: Warum eigentlich sind „normale“ Fokusgruppen in Verruf geraten?