Die (digitale) Zukunft des Buches – die Sicht des Lesers

Kategorie: Publishing 17:40 5. Dezember 2008

Das digitale Buch wird das gedruckte Buch nicht ersetzen. Noch nie hat ein Medium ein anderes vom Markt verschwinden lassen. Die Nutzer haben allerdings durch neue Medien stets Bedeutung und Schwerpunkt der bisher verfügbaren verschoben.

Der Leser von heute sieht sich einer – unüberschaubaren! – Menge von Büchern gegenüber. Was will er lesen? Was soll er lesen? Was muss er lesen? Das sind die zentralen Fragen eines Lesers. Bisher und in Zukunft. Wie er liest ist die nachgeordnete Frage. Um die sich in der Branche allerdings momentan viel dreht. Das digitale Buch wird jedenfalls als greifbare Innovation, jedoch entweder als wunderbare Welt oder als Sargnagel des physischen Buches, dem Untergang der Buchkultur und des Buchverkaufs gesehen. Keines dieser schwarz-weißen Vexierbilder jedoch interessiert den Leser. Er wird sich entsprechend seiner Lust, Laune und auch Verpflichtung den besten Weg des Lesens aussuchen wollen. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass dabei die Variante des gedruckten Buches keine Rolle mehr spielen wird, denn in Zeiten des book-on-demand ist dessen Wirtschaftlichkeit gesichert. Dass aber auch das digitale Buch eine wichtige Rolle spielen wird bezweifelt keiner. Auch ich nicht.

Aber wann? Wir dürfen davon ausgehen, dass die digitale Generation, Personen, die eine Welt ohne Internet, Google und Wikipedia nicht aus eigener Erfahrung kennen, kurz die nach 1990 Geborenen alle Möglichkeiten des digitalen Fortschritts ausschöpfen. Der eBook Reader kann sicher innerhalb kürzester Zeit günstige Massenware werden – man sehe sich nur den rapiden Preisverfall von digitalen Produkten wie Computern, Flachbildschirmfernsehern oder digitalen Musikabspielgeräten über nur 2-3 Jahre an. Allerdings – das Buch hat seit jeher in den gebildeteren höheren Schichten eine größere Verbreitung – dürfen wir auch nicht davon ausgehen, dass diese Generation die Gunst der Wahlmöglichkeit außer Acht lässt und so auf die Vorteile eines gedruckten Buches verzichten wollte – Bibliophile wird es auch in Zukunft geben. Sollten „schöne“ gedruckte Bücher gar als „Schätze“ in der Wohnung ausgestellt werden? Aber trägt das auch die Masse? Und wie schon gefragt ab wann? Zielgruppenkenntnis, die Anteile und absoluten Größen, Verschiebungen durch soziodemografische und technologische Entwicklungen werden in der Einschätzung „wann wird wie viel digital verkauft?“ eine bedeutende Rolle für den Erfolg von Verlagen spielen. Das alles verhilft jedoch noch nicht zu einer erfolgreichen digitalen Strategie.

Aus Sicht des Lesers gibt es Situationen, in denen eine andere als die bisher verfügbare Form eines Buches wünschenswert wäre. Die Mitnahme der Urlaubslektüre, die den Koffer verstopft, ist so eine. Ein eBook Reader mit den darauf gespeicherten fünf oder 40 ausgesuchten Büchern ist hier die klar bessere Alternative!? Allerdings: am Strand im Wegdösen in den Sand gefallen sieht es möglicherweise schon wieder ganz anders aus. Dieses Beispiel zeigt, dass es Menschen geben wird, die sich in der vorgestellten Situation für das digitale Buch entscheiden werden, aber auch nicht unwesentlich wenige das physische Buch ob seiner Unverwüstlichkeit bevorzugen werden.

Aus Sicht des Lesers ist es vorteilhaft und wünschenswert, dass Unternehmen wie Google, Amazon, MVB (Libreka) und wie auf der Buchmesse bekannt gegeben Sony-Libri Bücher digitalisieren. Der Vorteil des Lesers: er findet durch die Volltextsuche schneller die gesuchten Bücher. Kann genauer recherchieren. Kann sich schneller einen Eindruck verschaffen. Und nicht zuletzt erweitert sich damit seine Wahlmöglichkeit, Bücher in digitaler Form zu konsumieren.

Ein weiterer nahe liegender Vorteil für den Leser ist, ein digital vorliegendes Buch, welches er in einer digitalen Volltextsuche gefunden hat, als gedrucktes Exemplar zu erhalten.

Fest steht auch, dass ein gedrucktes Buch potenziell haltbarer ist – zumindest als jedes individuell genutztes elektronisches Speichermedium. Will der Leser also ein Buch aufbewahren, liegt es nahe, sich eine gedruckte Version anzueignen.

Spannend ist weiter die Frage, welche Art von Büchern sich in digitaler Version zuerst verkaufen: Sachbücher, Fachbücher, Schulbücher, Wörterbücher, die hohe und populäre Literatur, Kinderbücher, Bildbände – für die unterschiedlichen Arten stellt sich die Frage der Digitalisierung anders.

Welche – neuen – Erlebnisdimensionen eröffnen sich jeweils in der Nutzung eines digitalen Buches? Wo wird die digitale Form des Buches das Lesen -wollens, -sollens, -müssens unterstützen oder gar fördern? Diese Fragen werden sich nur spezifisch für die Bucharten und damit verlagsspezifisch beantworten lassen.

Stets aber ist von Interesse, was der Leser will. Schwarz weiße Vexierbilder taugen nicht für praktische Umsetzung einer digitalen Strategie. Der Leser wird entscheiden. Es kommt für Verlage und Buchhändler darauf an, die Entscheidungsaspekte des Lesers zu antizipieren und entsprechend strategisch in wirtschaftlichen Erfolg umzusetzen. Eine erfolgreiche digitale Strategie wird stark vom qualitativen Verstehen des Lesers, seiner Ambitionen, Nöte und Bedürfnisse abhängen.